Gegen das Vergessen – für die Erinnerung
Gedenkveranstaltung an die Opfer der Pogromnacht vom 9. November 1938
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 steckten Nationalsozialisten in ganz Deutschland Synagogen, jüdische Geschäfte und Wohnungen in Brand und misshandelten, verschleppten und ermordeten jüdische Bürgerinnen und Bürger.
Mit einer öffentlichen Erstaufführung des tschechischen Dokumentarfilms na útěku (Auf der Flucht) gedachte die Schulfamilie des FLG in Anwesenheit von Oberbürgermeister Andreas Starke und Bürgermeister Wolfgang Metzner der Opfer der Pogromnacht vom 9. November 1938.
In seinem bewegenden Film zeichnet der tschechische Regisseur Vaclav Hajek das Schicksal der jüdischen Kaufmannsfamilie Weinstein aus Troppau/Opava nach. Firmengründer David Weinstein und seine Gattin Irma verübten nach dem Einmarsch der Deutschen in die Tschechoslowakei in Prag Selbstmord. Ihrem einzigen Sohn Robert gelang es zunächst, sich in Oslo in Sicherheit zu bringen. Doch nachdem auch Norwegen an Hitlers Truppen fiel, wurde Robert Weinstein von den Schergen der Nationalsozialisten nach Auschwitz verschleppt, wo er 1942 an den Folgen von Zwangsarbeit und Unterernährung starb.
„Nach meinem Besuch bei den einzigen Überlebenden der Familie Weinstein in Israel stand für mich fest, dass ich diesen Film drehen muss.“ Für Regisseur und Produzent Vaclav Hajek, der selbst aus Opava stammt, ist die Arbeit an diesem Film eine regelrechte Mission gegen das Vergessen.
Dieter Aust, ehemaliger Geschichtslehrer am FLG, hatte den Kontakt mit Regisseur Hajek für das FLG hergestellt, weil ihn das Schicksal der Familie Weinstein auch aus persönlichen Gründen nicht losließ. Austs Eltern waren als Chauffeur und Stubenmädchen bei den Weinsteins in Troppau beschäftigt, das warmherzige Empfehlungsschreiben Irma Weinsteins für seine Mutter hat Aust bis heute aufbewahrt. Zu frappierend sei außerdem die Ähnlichkeit mit dem Schicksal der Bamberger Kaufhausdynastie Tietz, findet Dieter Aust. Auch deshalb war es ihm besonders wichtig, dass gerade junge Menschen in Bamberg diesen Film zu sehen bekämen.
„Wir wollen uns erinnern. Wir wollen nicht vergessen“, betonte Schulleiter Rainer Herzing in seiner Rede. Schon seit seiner Gründung sei das Franz-Ludwig-Gymnasium in besonderer Weise mit dem Judentum verbunden. Jüdische Schülerinnen und Schüler besuchten damals ganz selbstverständlich neben katholischen und evangelischen Jungen und Mädchen die Schule, auf dem Stundenplan des „Neuen Gymnasiums“ standen auch Hebräisch und israelitischer Religionsunterricht. Die Nationalsozialisten setzen dieser jüdischen Tradition der Schule ein jähes Ende, ab 1938 durften jüdische Schüler das Gymnasium nicht mehr besuchen, die meisten von ihnen wurden deportiert und in Konzentrationslagern ermordet. „Indira Gandhi hat einmal gesagt: Geschichte sei der beste Lehrer mit den unaufmerksamsten Schülern. Gerade unseren jungen Menschen muss immer wieder bewusst werden“, so Herzing, „wie sehr wir die Werte unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung verteidigen müssen und wie kostbar Demokratie, Frieden und Freiheit sind. “
Die öffentliche Filmpremiere fand in Kooperation mit der Kulturgesellschaft Troppau/Kulturní spolecnost Opava und der Stadt Bamberg am 7. November 2019 in der Aula des FLG statt, Schülerinnen und Schüler der Q11 konnten den Dokumentarfilm am 8. November 2019 noch einmal sehen. „Endlich habe ich die Zusammenhänge verstanden“, bekennt ein Oberstufenschüler nach der Filmvorführung, „wir müssen uns erinnern, das ist mir jetzt klar.“
Saskia Hofmeister